Vier Tage durfte ich mit der Akademie AutoLEVY zum Thema Mobilität und Digitalisierung im Silicon Valley verbringen. Hier sind meine Eindrücke mit Empfehlungen für den deutschen Handel.
Vom 11.bis zum 15. September 2018 hat die Akademie vom Autohaus LEVY aus Düsseldorf knapp 30 automobile Enthusiasten in das Silicon Valley eingeladen. In dem hochkarätigen Programm ging es darum zu erfahren, wie in der Innovationsschmiede der USA die Themen Mobilität und Digitalisierung gedacht und geformt werden. In diesem Beitrag schildere ich meine Eindrücke und Schlussfolgerungen für den Autohandel. So viel sei vorweggenommen: jeder Händler kann auf diesem Klavier spielen – er muss es nur tun.
Scheinbar alles – nichts ist unmöglich! Wer im Silicon Valley Einblicke in die Startup-Szene erhält, muss zwangsläufig von der ungebremsten Energie und dem Willen, alles in Frage zu stellen, beeindruckt sein. Das gilt auch und gerade für das Thema Mobilität. Wenn hier vor zehn bis fünfzehn Jahren das Thema Auto noch als unsexy galt – man bekam als Startup noch nicht einmal einen Termin dafür bei Investoren – so dreht sich heute scheinbar fast alles darum. Und dass man hier dringend etwas tun muss sagen einem schon die Blechlawinen, die sich jeden Tag zwischen San Francisco und dem Valley hin und her wälzen – 2 Stunden für 40km sind keine Seltenheit. Jeder scheint hier daher aktiv an Lösungen außerhalb der tradierten Geschäftsmodelle zu arbeiten, auch Ford bietet beispielsweise ein eigenes Bike-Sharing an.
Die Selbsterfahrung beginnt mit der Landung in San Francisco, wo man selbstverständlich kein Taxi nimmt, sondern „ubert“. Weil es einfacher und auch billiger ist: App installieren, Uber-Fahrer rufen, einsteigen. Aber auch hier gibt es einen Kampf mit den alteingesessenen Taxifahrern, die z.B. durchgesetzt haben, dass man nicht beim Ankunftsterminal abgeholt werden darf. Schätzungen gehen aber davon aus, dass diese mittelfristig noch nur 12% Marktanteil haben werden, der Rest geht auf Uber & Co. über. Auch sonst hat die Share-Economy Nebenwirkungen. So sollen z.B. ca. 20.000 Fahrzeuge von Uber und seinem Wettbewerber Lyft ständig in San Franzisco zirkulieren und nach Gästen suchen und damit zu einem unerwünschten mehr an Verkehr beitragen. Auch dies wird sich finden, man arbeitet z.B. daran, das Kapazitätsthema über den Preis auszuregeln. Wenn mehr Fahrzeuge als Gäste da sind, wird der Preis gesenkt, was es für Fahrer unattraktiver macht und damit das Angebot reduziert. Selbstverständlich in Echtzeit, sekundengenau und kundenindividuell. Letzteres kann dazu führen, dass eine Person für dieselbe Strecke zur selben Zeit etwas anderes bezahlt als jemand anderes, „Customer Segment One“ ist das zugehörige Buzzword.
Das kann der Handel tun:
Nach der ersten Bauchlandung kommt Uber bekanntlich nach Deutschland zurück – diesmal inklusive Erfüllung der gewerblichen Auflagen für die Fahrer. Uber braucht für seinen Erfolg Fahrer und Fahrzeuge. Letzteres hat der Handel im Angebot. Warum also nicht mal bei Uber anrufen und darüber reden, ob man hier zusammenkommt?
Alle Unternehmen, die wir besucht haben, denken Ihr Geschäftsmodell vom Kunden her. Damit sind insbesondere die Kundenbedürfnisse gemeint. Was braucht ein Kunde wirklich in Zeiten der sich wandelnden Mobilität und ist das wirklich immer der Besitz eines Autos? Wir waren beim Venture-Capital-Fonds BMWi zu Gast und es sollte einem zu denken geben, dass dieser seine 500 Mio US$ fast ausschließlich in Geschäftsmodelle investiert, die das Thema „Auto Nutzen“ und nicht „Auto besitzen“ zum Gegenstand haben. Von besonderem Interesse sind hier die sog. Subscription-Modelle, bei denen der Kunde eine monatliche Abo-Gebühr entrichtet, in der alles enthalten ist, außer Benzin. Zusätzlich kann er sein Auto in bestimmten Intervallen (i.d.R. zwischen 3 und 12 Monaten) wechseln.
Das kann der Handel tun:
Die ersten Plattformen, die Kunden Subscription-Modelle anbieten sind bereits in Deutschland aktiv. Diese finden Sie hier auf DISERVA. Damit deren Geschäftsmodelle erfolgreich werden, wird ein möglichst breites Fahrzeugangebot benötigt. Wer verfügt aktuell über ein perfektes solches Angebot? Richtig – Sie als Autohändler! Also anrufen oder ein eigenes, ähnliches, digitales Angebot entwickeln.
Wir waren beim StartUp zendrive.com zu Besuch. Dort sammelt man Daten über das Fahrverhalten von Fahrern, um diese z.B. Versicherungen, Car-Sharing-Anbietern etc. anzubieten. Diese können damit dann die bekannten Telematik-Tarife anbieten oder kundenindividuell Preise anpassen, wenn z.B. ein Car-Sharing-Fahrer notorisch meint, das Auto ramponieren zu müssen. Jetzt mag man gleich an eine OBD-Schnittstelle denken, mit allen Hindernissen an diese heranzukommen. Also hat man sich bei zendrive überlegt ob es denn nicht eine andere bereits vorhandene Technologie gibt, auf die man aufsetzen kann. Heraus kam das Handy des Fahrers. Dieses ist mit Sensoren für die Messung von Beschleunigung, GPS, Kompass etc. nur so gespickt. Also kann man diese Technologie nutzen, um feststellen, ob der Fahrer einen Unfall hatte (Beschleunigungssensoren erkennen den Aufschlag), der Fahrer das Handy zum Zeitpunkt des Unfalls in der Hand hatte (Tastaturanschläge etc.) usw. ohne als Unternehmen Gedanken und Geld an eigene Hardware zu verschwenden.
Bei allen Firmenbesichtigungen egal ob Uber, Google, zendrive, Waymo etc. oder der Standfort-Universität ging es fast ausschließlich um Daten, deren Sammlung, Verknüpfung und Nutzung. Insbesondere das Thema künstliche Intelligenz ist mit seinen zumindest gefühlt fast unerschöpflichen Potentialen allgegenwärtig, funktioniert aber nur, wenn Daten in ausreichender Menge und Qualität vorhanden sind.
Das kann der Handel tun:
Kümmern Sie sich um Ihre Daten und die Ihrer Kunden, denn das ist das Benzin der heutigen und insbesondere zukünftigen (Automobil-)Wirtschaft. Setzen Sie moderne Softwarewerkzeuge (z.B. für Marketing Automation) ein, bauen Sie sich ein Kundenportal und kümmern Sie sich mindestens um die Datenqualität im DMS inkl. datenschutzrechtlicher Einverständniserklärung.
Ist schon da – aber in den Levels 4 und 5 noch nicht marktreif. Autonom fahrende Fahrzeuge gehören hier im Stadtbild zur Normalität, wobei die Fahrzeuge von Waymo und Uber nur die Spitze des Eisberges sind. Mit diesen, die fast alle mit einem menschlichen Fahrer unterwegs sind, sammeln die Unternehmen Daten, um ihre KI-Algorithmen zu füttern. Dabei erfuhren wir von einem der Leiter des Toyota Research Institutes, dass wir noch 10-20 Jahre benötigen werden, bis autonome Autos die immense Komplexität eines Innenstadtverkehr meistern werden. In anderen, einfacheren Verkehrsszenarien wird die Einführung natürlich früher erwartet.
Bei diesem Thema kommt noch ein anderer Aspekt zunehmend auf den Radarschirm und das betrifft die Akzeptanz für autonome Fahrzeuge durch Insassen und andere Verkehrsteilnehmer. Beispielsweise führt es zu steigendem Unmut bei den Bewohnern des Valleys, wenn man hinter einem autonom fahrenden Fahrzeug minutenlang warten muss, bis sich dieses endlich entscheidet, dass es sicher rechts abbiegen kann. Auch beim Besuch der Standfort-Universität konnten wir uns ein Forschungsprojekt anschauen, in dem untersucht wird, wie Fußgänger auf autonom fahrende Fahrzeuge reagieren.
Besonders intensiv spürbar ist im Valley der Wille zu Innovation und Veränderung. Es scheint hier fast jeder an seinem eigenen und in der Regel digitalen Ding zu arbeiten. Dies wird natürlich durch die Elite-Universität Standfort gefördert und begünstigt (facebook und viele andere digitale Unternehmen haben hier ihre Wurzeln). Die ausgeprägte Innovationskultur ist aber auch in anderen Bereichen sichtbar. So werden z.B. regelmäßig Pitch-Events durchgeführt, auf denen StartUps Ihre Ideen präsentieren und diese durch Investoren bewertet und ausgewählt werden. Auf einer solchen Pitch-Night waren wir im Startup BaseCamp zu Gast. Bei Bier und Pizza und ohne Schlips und Kragen wurden 4 automobile Ideen vorgestellt und eine prämiert – eine sehr spannende Erfahrung.
Das kann der Handel tun:
Gehen Sie auf junge StartUp-Unternehmen zu. Gute Einstiegspunkte sind Universitäten und Fachhochschulen mit ihren Gründer- und Technologiezentren. Auch online gibt es viele Kontaktbörsen für Kooperationen mit StartUps. Weiterhin werden auch in unserer Branche Events wie Hackthons oder Unkonferenzen angeboten, beispielsweise das am 21.9.18 stattfindende CarCamp in Mannheim.
Auch die Online-Anbieter haben längst erkannt, dass offline seinen Charme hat. Der Amazon-Pop-Up-Store in der Westfield-Mall von San Franzisco ist dafür eines von vielen Beispielen. Dabei kann man die Produktpräsentation und –erfahrung vom eigentlichen Kauf trennen. Anfassen, erklären und erfahren geht bei vielen Produkten besser in der realen Welt. Kaufen kann man sie dann aber nur im e-Shop, was insbesondere die Logistikkosten senkt und die Kundenbindung fördert.
Auch vermeintliche Kleinigkeiten beim Einkaufen in San Franzisco lassen erkennen, wie viel Luft nach oben wir noch haben. Nachdem ich meine neusten Gadgets im Laden ausgesucht hatte und es zur Bezahlung ging wurde dies sehr einfach über einen Kreditkartenleser am Tablet abgewickelt. Die Unterschrift auf dem Tablet konnte ich mit dem Finger machen … geht doch, war ganz einfach und hat auch nicht richtig wehgetan! Die nachfolgende Frage „Wollen Sie den Kassenbon ausgedruckt oder per Email?“ lässt aufhorchen, bietet sich hier doch die Möglichkeit, eine E-Mail-Adresse des Kunden zu erhalten. Natürlich inklusive datenschutzrechtliche Einverständniserklärung durch Setzen eines zusätzlichen Häkchens auf dem Tablet.
Das kann der Handel tun:
Überlegen Sie sich, wo sie dem Kunden ein digitales Mehrwertangebot machen können, welches ihn ermuntert Ihnen Daten zu geben, über die sie die Verbindung zu ihm in der digitalen Welt halten können. Ein optionaler Rechnungsdownload ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Präsentieren Sie z.B. zusätzlich ausgewählte Produkte offline, bieten Sie aber für den Kauf nur einen Online-Shop an.
Ist alles Gold was hier glänzt? Definitiv nicht! Insbesondere die hier sehr sichtbare Armut und die absehbaren Veränderungen der Arbeitswelt, die der digitale Turbo-Kapitalismus produziert, sind gesellschaftliche Herausforderungen, für die wir sehr zeitnah Antworten finden müssen. Dass der digitale Wandel aber insbesondere für unsere Branche unaufhaltsam ist, spürt man hier an jeder Ecke. Wir werden uns daher auch in Deutschland und im eigenen Autohaus darauf mit eigenen Lösungen und Wegen einstellen müssen, auch wenn der letzte Führerscheinneuling noch nicht geboren wurde, wie ein Reiseteilnehmer sehr treffend bemerkte.
Unter dem Strich stehen drei Leitthemen für uns im Fokus:
Ein Besuch in Gegenden wie dem Silicon Valley liefert hervorragende Impulse und macht noch mehr Lust darauf. Weitere Hintergrundinformationen zu Innovationen aus dem Valley erhält man auch in diesem YouTube-Video (ZDF-Doku "Schöne neue Welt" von Klaus Kleber vom 19.6.2016).
Die vom Autohaus Levy organisierte Tour ist für die eigene Horizonterweiterung eine absolute Empfehlung. Die nächste Reise in eines der innovativsten Länder Welt – Israel – ist für Mai 2019 schon in der Vorbereitung. Informationen dazu erhalten Sie unter www.autolevy.de.
Nachtrag:
Auf der Rückfahrt zum Flughafen San Francisco kam ich mit dem Uber-Fahrer ins Gespräch. Er erklärte mir glaubwürdig, dass er nur deshalb für Uber fährt, um deren App und das Geschäftsmodell aus Fahrersicht zu testen. Er ist CTO für eine Firma, die eine Rikscha-App für Indien und den fernen Osten entwickelt. Das beste von Uber will er übernehmen, der Rest wird halt selber neu entwickelt.
Hier hat wohl wirklich jeder seine eigene digitale Agenda ...
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Die General-Motors-Tochter Cruise darf ihre Robo-Shuttles in Kalifornien künftig auch für die Öffentlichkeit anbieten. Weitere Anbieter stehen schon in den Startlöchern.
Die GM-Firma Cruise kauft den Konkurrenten beim autonomen Fahren Voyage. Dies ist ein weiterer Zusammenschluss im Feld des autonomen Fahrens.
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